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Äußerliche Sprechblockade

Normalerweise schreibe ich im mutismusblog über innerliche Sprechblockaden. Dieses Jahr ist aber eine verrückte Zeit. Da hab‘ ich komischerweise auch mal äußerliche Sprechblockaden. Ich meine das Stück Stoff, das meinen Mund bedeckt und damit äußerlich blockiert. Keine Frage, ich trage den Mund-Nase-Schutz, weil es COVID-19 definitiv gibt und es deshalb so muss. Darüber diskutiert man nicht. Aber gut zurecht komme ich damit nicht.

Ich muss förmlich brüllen, um das Hindernis zu überwinden und andere verstehen mich vermutlich immer noch nicht, weil ich mir über die Lautstärke meiner Stimme meist nicht im Klaren bin. Bei fremden Menschen jedenfalls. Für mich ist sie meist zu laut und ich habe kein Gefühl dafür, was wann und wie justiert werden muss. Und schon gar nicht mit einem versteckten Mund, wo möglicherweise eine wechselnde Stoffdicke auch noch mehr Worte verschluckt als andere Stoffe, die gerade in der Waschmaschine sind, oder als die medizinischen Masken.

Man könnte meinen, dass es für Mutisten praktisch sei. Der Mund ist versteckt und das ist gut. Was habe ich diese Fragen unzählige Male gehört. „Wo ist dein Mund?“. Oder „Hast du deinen Mund zuhause gelassen?“. Als wäre das witzig. Ja, weg ist der Mund so allemal. Im Alltag ist das aber wenig praktisch. Wenn man allein im Supermarkt ist, mag das vielleicht noch gehen. Da ist das Gespräch an der Kasse sehr begrenzt. Oder muss auch gar nicht sein. Aber manchmal ist man nicht allein und will sich vielleicht mit der Begleitung unterhalten. Oder man will irgendwo hin, wo wirklich ein paar mehr Worte nötig sind. Zum Frisör könnte ich zum Beispiel mal wieder müssen und zum Zahnarzt eigentlich auch.

Also habe ich momentan eine äußerliche Sprechblockade, mit der ich meist besser zuhause bleibe. Zum Glück komme ich damit aber besser zurecht als mit der innerlichen. Das geht schon.

Wie geht es euch mit Maske?

6 thoughts on “Äußerliche Sprechblockade

  1. Dass man dem Stoff „entgegenbrüllen“ möchte, geht mir ähnlich. Auch kein Gefühl für die eigene Stimme zu haben. Als Mutist kann man seinen Vorteil aus der Maske ziehen. Niemand sieht deinen Mund, also kann ich im Stillen die Worte mit Kiefer, Zunge und Lippen einmal zurechtformen, bis man sich mit dem Satz sicher ist, den man sagen möchte. Vielleicht auch zwei Mal. Und keiner siehts, wenn sie normal sitzt. Besser noch, ich kann dämlichen Mitmenschen lustige Grimassen schneiden oder stille Flüche an den Hals werfen, wenn sie mir auf den Zeiger gehen. Am Ende erst entfesselt man seinen Satz, wie ein Mantra, lauter als sonst. Für die Feinhörigkeit und eigene Sensibilität, welche man als Mutist halt so mit sich schleppt, kommt das vielleicht schon wie Gebrüll vor, aber für die Umstehenden gewiss nicht.
    Als Mutist trägt man ohnehin eine innere unsichtbare Maske. Und das Stück Stoff symbolisiert nun eigentlich erst recht das, was ich mein Leben lang mit mir herumschleppen muss, daher komme ich gut damit klar. Jetzt dürfen die Anderen auch mal mit einer äußeren Blockade zurechtkommen.

    1. Danke für deine Gedanken <3 Ich mag deine Ansicht, dass die Anderen nun auch mal mit einer äußeren Sprechblockade zurecht kommen müssen. Und auch, dass man mit Maske erstmal unsichtbar "üben" kann.

  2. Das mit der vermeintlich zu geringen Lautstärke kenne ich auch gut. Ich hatte auch oft das Gefühl, schreien zu müssen, weil man mich sonst nicht versteht.
    Dann habe ich aber den Tipp bekommen, dass ich stattdessen tiefer einatmen sollte, bevor ich spreche. Denn damit die Stimme tragfähig ist (und die Distanz zum Gegenüber plus Maske überbrückt) braucht es einiges an Luft. Und mit mehr „Luftdruck“ muss ich nun gar nicht lauter reden, weil ich automatisch besser verstanden werde.

    Einen Versuch ist es allemal wert – denn Atmen hilft ja immer. Irgendwie. 🙂

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