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Unterschied zwischen Schüchternheit und Mutismus

Schüchternheit ist ein unsägliches Wort. Zumindest in Zusammenhang mit Mutismus. Wie ich finde. Ich selbst habe mich noch nie als schüchtern bezeichnet und habe es gehasst, wenn es andere taten. Und ich mag es auch nicht, wenn Mutismus als krankhafte Schüchternheit bezeichnet wird. Das klingt dumm. Mutismus ist so viel mehr als Scheu und Unsicherheit. Introvertiert, ja. Zumindest bei mir. Weil ich beobachte, in mir lebe und zum Erholen mit mir sein muss. Schüchtern, nein. Ich bin kein scheues Reh, das davon rennt.

Ich bin nicht ängstlich, weil Menschen da sind oder ich mit ihnen reden muss. Ich bin blockiert. Ich bin eingefroren, unbeweglich und stumm. Ausgeschaltet. Gelähmt. Die Muskeln funktionieren nicht. Was andere über mich denken, ist mir meist gleichgültig. Wie soll das auch anders funktionieren, wenn man minutenlang eingefroren dasitzt und alle darauf warten, dass man endlich mal etwas sagt? Oder sich bewegt. Und wenn sie noch Stunden warten würden, der Mutist sagt nichts. Weil er unbeweglich ist und innerlich wahrscheinlich schon lange nicht mehr da. Der Schüchterne wäre eingeknickt, um sich aus der Situation zu manövrieren. Oder er hätte es erst gar nicht soweit kommen lassen. Mit hochrotem Kopf hätte er vielleicht eine Antwort gestammelt, damit danach Ruhe ist. Beim Mutisten ist die ganze Zeit Ruhe. Von Anfang bis Ende.

Selektiver Mutismus: von einem Extrem in’s Nächste

Ich mag das Wort „Mauer des Schweigens“ manchmal. Denn es ist eine Mauer, die sich in sekundenschnelle auftürmt und erst wieder einstürzt, wenn die Situation richtig ist. Und wann eine Situation richtig ist, ist verschieden. Manchmal hätte ich mir gewünscht, schüchtern zu sein. Manchmal kamen Dinger in richtigen Situationen aus meinem Mund, da wäre es besser gewesen, schüchtern zu sein. (Selektiver) Mutismus ist selektiv. Mutisten sind zwei Menschen in einem. Oft geht’s von einem Extrem in’s nächste. Und meist fühlte und fühle ich mich in Gesellschaft auch nicht unwohl. Im Gegenteil. Oft finde ich einige Menschen interessant und würde am liebsten stundenlang faseln. Dann bin ich sogar unsicher, ob es dem Bild entspricht, das sie von mir haben. Nämlich dem Bild der Stillen und Introvertierten, das ja eigentlich zusammen passen müsste.

Als Mensch mit Mutismushintergrund geht irgendwas Krankes in meinem Kopf vor, das früher meinte, es wäre besser, eingefroren zu sein. Vielleicht kam das mal aus Schüchternheit. Falls ja, ist es das schon ewig nicht mehr. Seitdem ich denken kann, nicht.

3 thoughts on “Unterschied zwischen Schüchternheit und Mutismus

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