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Selektiven Mutismus überwinden: was heute noch übrig ist

Streng genommen habe ich keinen selektiven Mutismus mehr. Ich schweige nicht mehr in bestimmten Situationen und das sogar schon eine ganze Weile nicht. Allerdings kann ich noch nicht allzu lange sagen, dass ich den Mutismus überwunden habe. Das Schweigen vielleicht schon, aber für mich ist Mutismus ein wenig mehr als Schweigen.

Vielleicht weil sich mit dem Sprechenkönnen rein gar nichts erledigt hatte. Der Mist im Kopf war und ist der gleiche. Denn mit dem Überwinden der Sprechblockade ging es erst richtig los. Und es war auch bei Weitem nicht so, dass ich plötzlich überall sprechen konnte. Bis kein Schweigen mehr übrig war, hat es lange gedauert. Ich konnte eben nur selektiv immer ein bisschen mehr sprechen.

Heute schweige ich nicht mehr, habe aber sehr wohl noch ab und an das Gefühl, blockiert zu sein. Nur eben nicht vollständig. Und nur noch selten.

Meine (Angst-)Erkrankung heute

Müsste ich es heute benennen, finde ich eigentlich die Bezeichnung „Mensch mit Mutismushintergrund“ am besten. Und heute ist jede Menge Angst übrig. Vielleicht ist aus meinem Mutismus eine Angststörung geworden, müsste man heute eine Diagnose finden. Ich weiß es nicht. Und will es ehrlich gesagt auch nicht, weil es für mich nichts ändert. Ich sehe es immer noch als Mutismushintergrund.

Ich denke nicht, dass ich damals direkt Angst vorm Sprechen hatte. Und heute auch nicht. Die Ängste sind drumherum. Wahrscheinlich war an der ein oder anderen mutistischen Situation sicherlich Angst beteiligt. Ja. Genauso gab es aber auch unzählige Situationen, in denen ich mich sogar rundum wohlfühlte und kein einziges Wort sprechen konnte. Für mich liegt darin auch der Unterschied zur Schüchternheit. Ich bin im Prinzip schon mit manchen Dingen warm geworden, aber eben nie einfach so aufgetaut, dass ich hätte sprechen können. Zum Glück ist letzteres vorbei.

Die übriggebliebene Angst ist lästig, aber ich habe in meiner Psychotherapie von Anfang an gelernt, damit umzugehen. Dinge werden so klein gemacht oder aufgeteilt, bis ich sie bewältigen kann. Also ist das das geringere Übel, mit dem ich leben muss (kann). Und mit der übriggebliebenen Teilzeitblockade kann ich auch umgehen. Dann weiß ich jetzt eben mal nichts, obwohl ich was wüsste oder entziehe mich der Situation ganz bewusst. Das ist okay.

1 thought on “Selektiven Mutismus überwinden: was heute noch übrig ist

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