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Warum Telefonieren früher für mich leichter war

Heute ist nicht mehr viel vom Mutismus übrig. Deshalb mag ich die Bezeichnung Mensch mit Mutismushintergrund sehr gern. Allerdings mache ich mir heute Vieles komplizierter als es wahrscheinlich muss. Und deshalb waren einige Sachen damals sogar etwas leichter als heute. Telefonieren zum Beispiel. Natürlich war die Angst davor damals viel größer und das Überwinden war nicht leichter. Im Gegenteil. Aber der Prozess des Telefonierens war es.

Früher wollte ich keine komplizierten Dinge am Telefon. Meist brauchte ich für irgendetwas einen Termin. Für einen Arzt oder den Friseur. Dann meldet man sich mit seinem Namen und sagt, was man will. Einen Termin. Da ich meist keine anderen Termine hatte, spielte die Zeit keine Rolle. Ich nahm solche Dinge immer in den Semesterferien in Angriff. Für das Telefonat vorbereiten musste ich also nur Antworten auf andere mögliche Fragen. Und allgemeine Fragen fallen mir heute noch nicht mal mehr ein. Vielleicht, ob man schon mal in der Praxis war. Oder bei welcher Krankenversicherung man versichert ist. Für die große Angst, die ich davor hatte, war es jedenfalls immer sehr unkompliziert. Das einzig Komplizierte am Ende war, mir den Termin auch merken zu können, um ihn aufzuschreiben, denn gleichzeitig telefonieren und schreiben hat damals nie gut funktioniert.

Heute bin ich wählerisch. Die Antwort, die ich inzwischen zusätzlich vorbereiten muss, ist „wann denn eigentlich“. So einfach ist das nämlich nicht mehr. Entweder arbeite ich und muss überlegen, ob ich an diesem Tag früher aus dem Büro gehen kann. Oder die wenige Freizeit ist schon anders verplant. Deshalb bin ich heute vor einem Telefonat, um Termine auszumachen, überwiegend damit beschäftigt, die nächsten Tage oder Wochen gedanklich zu strukturieren. Und dann muss ich mir das noch merken und beim eigentlichen Gespräch abrufen können. D a s ist kompliziert und hat mich schon manchmal überfordert. Oft hilft es, die Zeiten, zu denen es geht, vorher aufzuschreiben. Oder andersrum. Die Tage, an denen es nicht geht. Manchmal genügt auch der Kalender im Smartphone, um es vor Augen zu haben. Je nachdem, wie viele andere Termine anstehen.

Ich bin unsicher, was ich lieber mag. Manchmal hätte ich in diesem Punkt gerne die Zeit von damals zurück. Auch wenn das im Großen und Ganzen betrachtet natürlich absolut nicht erstrebenswert ist. Aber es war eben nicht alles komplizierter, auch wenn die Überwindung eine Katastrophe war.

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