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Was macht man, wenn der Therapeut gestorben ist?

Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort gehabt. Am besten eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit Punkten, die man abhaken kann, wenn sie vorbei sind. Aber so funktioniert das nicht. Genauso wenig, wie mir jemand erklären konnte, wie eine Therapie funktioniert.

Ich hatte wie wild gegoogelt, um irgendetwas lesen zu können. Irgendwas. Wie das geht. Was man macht. Ob das besser wird. Und vor allem, ob es jemandem ganz genauso geht. Einen Erfahrungsbericht vielleicht. Nichts. Und wenn ich etwas gefunden hatte, war das wenig gefühlvoll. Nüchtern. Man hätte das alles besser schreiben können.

Aber meistens ging es darum, warum man eigentlich um einen Therapeuten trauert. Das ist ein Therapeut. Das ist seine Aufgabe und man ist das Arbeitsmittel. So ist es und nicht anders. Nüchtern gesehen. Aber wer will das schon wissen, wenn die Welt plötzlich still steht? Wenn man nicht mehr atmen kann und plötzlich das Gefühl hat, einfach nur raus und wegrennen zu müssen? Egal, wo man ist. Man kann einfach nirgends mehr sein. Nicht im Supermarkt. Nicht in der Universität und auch nicht im dunklen Kino. Nirgends geht’s.

Und wo passt das Zwischenmenschliche hin? Der Charakter eines Therapeuten und seiner Patientin? Was ist damit? Das ist nicht mal eben wieder neu erklärt und ausgetauscht. Das ist ein Weg, der nicht übertragbar ist. Und noch viel schlimmer – alles ist aufgewühlt und angefangen. Wer ist nun da? In einer Therapie lässt man sich auf etwas ein. Unterschreibt den imaginären Vertrag, dass man bereit ist, sich aufwühlen zu lassen, um irgendwo anders anzukommen. Damit kann man nicht allein sein. Das ist angefangen und muss bis zu einem gewissen Punkt fertig gemacht werden. Gemeinsam. Und nicht allein.

Krisengespräche und Notaufnahme

Man hatte mir damals Krisengespräche angeboten. Genau genommen war es ein Gespräch. In dem es überwiegend darum ging, die Situation zu verstehen. Was daran verstanden werden musste, weiß ich auch nicht. Mein Therapeut war tot. Und unglücklicherweise war der letzte Therapietermin, ein Tag vor seinem Tod, auch noch nicht gut. Ich war wütend auf ihn. Hatte mich nicht verabschiedet. Ich hab‘ also noch nicht mal „tschüss“ gesagt. Was musste ich da ständig erzählen und erklären? Die Chemie stimmte vorne und hinten nicht. Das nächste Gespräch wurde abgesagt und dann hat sich einfach niemand mehr gemeldet. Mutig, so als Krisenintervention.

Und dann saß ich irgendwann in der Notaufnahme. Die Krankenpflegerin, die mich noch schusseliger machte, als ich schon war, faselte irgendwas, während die junge Ärztin vorne und hinten nicht mehr weiter wusste, weil ich alles ablehnte. Ich musste weder dort bleiben, noch in die Akutpsychiatrie. Ich war wegen all der Übelkeit weder schwanger, noch hatte ich ein organisches Magen-Darm-Problem. Und dieser dumme Zugang in meinem Arm, den man praktischerweise beim Blutabnehmen einfach drin ließ, ohne zu fragen, musste auch weg. S o f o r t. Mein T h e r a p e u t war g e s t o r b e n und ich wusste nicht mehr, wie es geht. Und was genau ich in der Notaufnahme wollte, wusste ich auch nicht.

Mit einer halben Lorazepam für gleich und eine halbe für den nächsten Tag war es dann still. Endlich. Tagelang war es ein bisschen ruhiger und ich schlief. Und irgendwann wurde es besser. Ich hab’s dann allein rausgefunden. Bis heute weiß ich, wie’s allein gehen muss.

5 thoughts on “Was macht man, wenn der Therapeut gestorben ist?

  1. Hallo Mara,
    Ich habe etwas Ähnliches erlebt. Mein Therapeut ist total unerwartet verstorben. Mich hat es total aus der Bahn geworfen und ich war überfordert und völlig verzweifelt. Jetzt, nach einigen Monaten, geht es etwas besser aber es tut immer noch sehr weh. Es stimmt, viele verstehen das nicht. Die nüchternen Kommentare musste ich auch mitbekommen… aber so nüchtern ist es eben nicht… Schön, dass ich deinen Blog gefunden habe 😌 liebe Grüße

    1. Hallo liebe Mona, danke für deinen Kommentar. Das tut mir sehr leid und ich fühle mit dir 🙁 Wenn du schreiben magst, gerne. Ansonsten wünsche ich dir weiterhin viel Kraft <3 Alles Liebe!

  2. Hey, ich habe gerade diesen Sch…. Anruf bekommen, dass meine Astrid nicht mehr gibt. Ich weiß nicht wie weiter…..Sie hat mich wörtlich auf die Beine gestellt. Sie selbst hat Brustkrebs besiegt. Aber dann wurde zu spät der Lungenkrebs bemerkt und im KH wurde sie mit Corona angesteckt….. Wer ist schuld??? Ja ich bin wütend, aber wem nützt es??? Ich kann nichts ändern, aber für mich wird sich alles ändern…. Es ist nicht einfach sich selbst zu gestehe, dass man Problem hat und Hilfe braucht und es ist noch schwieriger sich einer fremden Person-Thetapeuten zu öffnen, anzuvertrauen. Wenn man erst diese Verbindung aus Vertrauen und Geborgenheit aufgebaut hat, fällt es unheimlich schwer zu akzeptieren, dass man diese gute Seele nie wieder sieht…. Ich kann nicht und werde auch nicht mir neuen Therapeuten suchen. Ich will nicht wieder alles wiederholen, durchwühlen und durchleben. Ich werde darüber reden, aber wer im Leben kein Verlust erlebt hab, kann mich nicht verstehen. Ich werde immer an meine Astrid denken und sehr dankbar sein, Sie kennen gelernt zu haben. Niemand ist Schuld, ich werde es akzeptieren müssen …. Danke für den Blog, hat mich wirklich aufgefangen…

    1. Das tut mir wahnsinnig leid. Das ist sehr schwer, ja. Man hat etwas aufgebaut, mit dem man arbeiten kann und dann ist es von heute auf morgen weg. Man kann nicht einfach neu anfangen und alles noch einmal erzählen. Und selbst wenn es geht, dann dauert es ewig. Das versteht kaum jemand. Ich wünsche dir so viel Kraft für die kommende Zeit. Nimm dir die Zeit, die du brauchst für die Trauer, auch wenn andere dir etwas anderes erzählen. Und ich wünsche dir, dass du für dich auch irgendwann einen Weg gefunden hast, wie man damit leben kann. Es ist gut, dass du niemandem die Schuld gibst. Die Dinge passieren. Sie hätte sicherlich gewollt, dass du das für dich zum Dranwachsen nimmst.

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